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5. Rolle



"Mach einen Abgang, du elender Haufen falsch zusammengepanschter Fleischklumpen, oder ich hau dich zusammen, dass dich hinterher allein schon die Zahnarztrechnung ins Grab bringen wird!" rief Penelopa mit zittriger Stimme in der Hoffnung, dem bewaffneten Kleiderschrank vor sich damit Angst einjagen zu können.

Die Hand, die den Dolch hielt, verharrte einen Augenblick unsicher, dann senkte sie sich, und der Mann, dem die Hand gehörte, starrte Penelopa ungläubig an.

"Hast du nicht gehört, du abgehangener Ziergarten-Rambo?" setzte Penelopa nach. "Du sollst dich verziehen, oder es setzt Schläge, bis dich selbst deine Mutter für eine Portion Birnenkompott halten wird!"

Klappte aber nicht mit dem Einschüchtern. Im Gegenteil. Der Killer fand ihre Versuche eher komisch, er begann, in einem tiefen Bass zu lachen.

Er lachte und lachte, ihm kamen die Tränen vor Lachen, er hielt sich den Bauch vor Lachen, er kugelte sich auf dem Boden vor Lachen.

Und schließlich erstickte er an einem Lachkrampf.

Penelopa stand da und staunte. Dann senkte sich erneut die Klinke der Zimmertür, und Ody steckte seinen Kopf ins Schlafgemach.

"'n Abend."

"Selber."

Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann fiel sein Blick auf die Leiche, die sich auf dem Teppich herumflätzte.

"Liegt bei dir öfters so etwas herum?" fragte er.

"Nein, nein", wehrte Penelopa ab, "nur heute. Ich wusste nicht, was ich als Nachtmahl nehmen sollte, und da hat mir mein polynesischer Koch dieses Fresspaket geschickt."

"Und das willst du so herunterbekommen?"

"Mit ein wenig Wasser zum Nachspülen wird es gehen."

Ody sah sich in dem Schlafgemach um. Er bestaunte die goldbestickten Gardinen, er befühlte die kunstvollen Holzverzierungen auf der Kommode, er betrachtete die Edelsteine, die in die Schrankfassade eingearbeitet waren. Er ließ sich auf das Bett fallen und verfolgte mit seinen Augen die Schnörkel, die in die Decke graviert waren. Ziemlich kitschig, das alles, fand er.

"Wie wird man eigentlich Königin?" fragte er. Vielleicht gab es ja noch irgendwo einen Job als König, den er bekommen könnte. Als König war man sicher sehr reich, da würde es dann auch endlich mit dem Heldsein klappen.

"Oh, man wartet, bis einen jemand fragt, ob man nicht Königin werden will, das ist alles", erwiderte Penelopa. Sie setzte sich neben Ody auf das Bett und fing an, ihm die Schuhe von den Füßen zu ziehen.

"Und was hast du vorher gemacht?" fragte dieser, davon unbeeindruckt.

"Ich habe mal Gewitterziegen gehütet", meinte Penelopa.

Sie zog Ody die Knöpfe vom Hemd und warf sie sich über die Schulter.

"Klasse Karriere", fand Ody.

"War nicht schwer", meinte Penelopa und beraubte ihren Geliebten um den Rest seiner Kleider.

Erneut schob sich die Zimmertür auf, und Ody, der nicht daran glaubte, dass er hätte erklären können, was er um diese Zeit und in unbekleidetem Zustand im Schlafgemach einer Königin suchte, rettete sich in den Kleiderschrank und warf die Schranktür hinter sich zu.

"Hallo meine Taube!"

Der heimliche Geliebte der Königin trat freudestrahlend auf.

"Selber taube …Nuss", erwiderte Penelopa verärgert. Sie versuchte, möglichst unauffällig die Kleider Odys unter dem Bett verschwinden zu lassen. "Kannst du mir verklickern, wer du bist und was du hier willst?"

"Aber mein Honigkuchennilpferd, ich bin es doch, Mino!" Die Freude im Gesicht des heimlichen Geliebten dankte zugunsten einer erheblichen Verwirrung ab.

"Bist du dir sicher, dass du zwischen deinen Schädelwänden noch richtig tickst?" fragte Penelopa teilnahmsvoll.

"Ich verstehe nicht, mein rosa Rhinozeros, was ist los mit dir?"

Laut knarrend öffnete sich die Zimmertür. Mino, der heimliche Geliebte der Königin, der auch weiterhin unheimlich geheim bleiben wollte, sprang angesichts dessen unter das Bett und verkroch sich dort.

Nun trat Agamemme mit seinem Gefolge herein. Er überblickte die Situation, betrachtete die Leiche, die sich auf dem Teppich lümmelte, und ärgerte sich. Eigentlich war sein Plan recht simpel gewesen. Jetzt, wo es sich überall herumgesprochen hatte, dass die Königin ihren Berater würde ehelichen wollen (überall außer bei der Königin selbst; es ist ja oft so, dass Gerüchte die Runde machen und anschließend wissen alle über jemanden Bescheid und nur der, den es angeht, erfährt es als letzter). Erst hatte Agamemme gedacht, er würde bis zum Tag vor der angesetzten Hochzeit warten, dass wäre ziemlich dramatisch gewesen. Doch Geduld war nicht seine Stärke, und so hatte es sich entschlossen, nicht länger zu warten. Er hatte dem königlichen Meuchelmörder beauftragt, die Königin (ein weiteres Mal) umzubringen. Anschließend hätte er den einen oder anderen, den er noch nie leiden konnte, verhaften lassen und vielleicht noch ein wenig gefoltert. Möglicherweise hätte sich dabei auch die Gelegenheit ergeben, den einen oder anderen Krieg zu beginnen (Agamemme liebte Kriege, leider hatte es so wenige gegeben in letzter Zeit, nachdem das Orakel von Plumpuddington prophezeit hatte, dass Atlantis untergehen würde, sobald seine Krieger fremde Kontinente betreten würden), im Großen und Ganzen hätte er sich aber einfach nur zurückgelehnt und sich an seiner neuen Macht berauscht.

Ein zentraler Punkt in seinem Plan sah vor, dass er jetzt hier eine tote Königin vorfinden würde. Doch stattdessen lag der Kerl, den er für den Königsmord angeworben hatte, frecherweise tot auf dem Boden herum und die Königin schien nicht sonderlich interessiert, ebenfalls tot zu sein.

Ohne ein Wort zu sagen, wandte sich Agamemme um.

"Bring die Arbeit zu Ende", sagte er im Hinausgehen zu einem mageren blonden Kerl aus seinem Gefolge, das war alles.



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